Es bleibt nicht aus, mit zwei Jungs, die knapp zwei Jahre auseinander sind, gibt es Streit. Um ein Spielzeug, das ein Dreivierteljahr verschüttet in der Spielzeugkiste lag, bei Ausgrabungen wiederentdeckt wurde und nun beide unbedingt haben wollen. Oder weil der große Kleine gekratzt hat, der kleine Kleine hat geschubst. Es gibt Diskussionen um die Essgeschwindigkeit. Natürlich gibt es Diskussionen um die Amplitude der Streitschallwellen. Oder die Jungs schaukeln sich auf, gehen in Resonanzverstärkung in ungewohnter Harmonie, wenn es darum geht, Lieder umzudichten und Reime zu finden auf Worte, die nicht zwingend zum Wortschatz gewählter Ausdrucksweise gehören.
Zeitliche Inseln des friedlich Miteinanderspielens sind wertvoll. Es gibt einen Ort, der mit einer solchen zeitlichen Insel verbunden ist: Das Kettenbecherwerk in Oederan.
Entdeckt haben wir den Ort an einem Frühsommersonntag, als wir ursprünglich das Kleine Erzgebirge in Oederan besuchen wollten. Vorm Eingang gibt es einen Brunnen, aus dem man mithilfe eines Kettenbecherwerks Wasser schöpfen kann. Es ist eine mühselige Arbeit, das Rad zu drehen, um Becher für Becher nach oben zu ziehen und dessen Inhalt in die Wasserrinne zu schütten. Das Wasser fließt in einen kleinen Kanal, wo die Jungs Dämme bauen und Schiffe, Stöcke und Blätter schwimmen lassen. Und das können sie über Stunden – friedlich miteinander, nebeneinander, füreinander abwechselnd das Kettenbecherwerk bedienen, Material für die Dämme sammeln oder cheatend den Taster für die Wasserpumpe drücken.
Dieses Wochenende waren wir zum dritten Mal in diesem Jahr dort. Ich hielt meine erkältungsgerötete Nase in die wärmende Herbstsonne und las das Luther-Burbank-Kapitel aus Yoganandas Biografie, das ebenfalls Wärme ausstrahlte. Regelmäßig hörte ich das Schlagen des Tasters der Pumpe oder das Quietschen des Kettenbecherwerks, aber keine harschen Worte des Streits.
Das Kleine Erzgebirge haben wir dieses Jahr noch nicht von innen gesehen.

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